Wie kann Europa seine Natur wiederherstellen?

Das EU-Parlament stimmt Anfang 2024 abWie kann Europa seine Natur wiederherstellen?

Anfang 2024 wird das Europäische Parlament endgültig über das „Gesetz zur Wiederherstellung der Natur“ abstimmen. Die heiß diskutierte Verordnung hat das Ziel, den Verlust der biologischen Vielfalt in Europa aufzuhalten und umzukehren. Ein internationales Team von Wissenschaftler:innen unter Leitung der Universität Duisburg-Essen hat untersucht, wie erfolgsversprechend dieses Gesetz ist. Der Artikel wird am 15.12.2023 in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.

Das „Gesetz zur Wiederherstellung der Natur“ (Nature Restoration Law, NRL) verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, bis 2030 wirkungsvolle Renaturierungsmaßnahmen zu ergreifen: bis 2030 auf mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresflächen und bis 2050 in allen Ökosystemen, die einer Wiederherstellung bedürfen. Zentrale Punkte betreffen die Wiedervernässung entwässerter Moore sowie die Erholung von Bestäuberpopulationen. Das NRL hat im EU-Parlament bereits mehrere Hürden genommen: Zuletzt wurde es vom Umweltausschuss des EU-Parlaments gebilligt, nachdem Delegationen des Parlaments und des Europarats den endgültigen Text abgestimmt hatten.

Aber wird die Verordnung ihre Ziele wirklich erreichen? Die Autor:innen der Studie sind ausgewiesene Expert:innen, die große europäische Projekte zur Renaturierung und zur biologischen Vielfalt leiten. Sie analysierten die Erfahrungen mit anderen europäischen Umweltrichtlinien und -strategien und bewerteten darauf aufbauend die Erfolgsaussichten der NRL. 

„Das NRL verfolgt viele erfolgsversprechende Ansätze. Ganz zentral: Das NRL umgeht mehrere Fallstricke, die die Umsetzung europäischer Politiken und Verordnungen oft behindern", sagt Daniel Hering von der Universität Duisburg-Essen, Erstautor der Studie. „Die Verordnung spart Zeit, da sie nicht in nationales Recht umgesetzt werden muss, und die Umsetzungsschritte sind klar festgelegt.“ Ein kritischer Aspekt ist dennoch, dass die jeweilige nationale Anwendung entscheidend für den Erfolg der NRL sein wird.  „Während die Ziele des EU-Gesetzes genau definiert und verbindlich sind, müssen die Schritte zu ihrer Erreichung von den europäischen Ländern durchgeführt werden, und die meisten von ihnen sind freiwillig“, erläutert Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ in Halle, einer der Autoren der Studie.

Ein weiterer Aspekt: Die Zusammenarbeit der Politik mit den Landnutzer:innen, insbesondere mit der Landwirtschaft, wird erfolgsentscheidend sein.  „Die intensive Landwirtschaft ist nach wie vor eine der Hauptursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt in Europa", ordnet der Senior-Autor Guy Pe'er ein. „Aber die Ziele der Landwirtschaft und der Naturwiederherstellung könnten miteinander verknüpft werden, so dass beide Seiten davon profitieren können. Die Landwirtschaft profitiert direkt von gesunden Bestäuberpopulationen und von einem verbesserten Landschaftswasserhaushalt – beides sind Ziele des NRL.“ Die Autor:innen kommen zu dem Schluss, dass Fördermittel der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU auch zur Zielerreichung des NRL eingesetzt werden müssen: Eine in Fachwelt und Anwendung kontrovers diskutierte These.

Insgesamt bewerten die Autor:innen das NRL positiv. Sie machen jedoch deutlich, dass eine ehrgeizige nationale Umsetzung und die Zusammenarbeit mit Wirtschaftssektoren wie der Landwirtschaft letztlich über den Erfolg der Renaturierung in Europa entscheiden werden.

Das NRL ist Teil des Green Deal der EU und hat unter anderem zum Ziel, das internationale Biodiversitätsabkommen von Kunming-Montreal zu erfüllen. Dieses Abkommen zielt darauf ab, mindestens 30 Prozent der degradierten Ökosysteme wiederherzustellen.

Zu den Autoren des Papiers gehören die Koordinatoren der Projekte MERLIN, WaterLANDS, SUPERB und REST-COAST, die alle im Rahmen des Programms Horizont 2020 der Europäischen Kommission unter dem Thema "Restoring biodiversity and ecosystem services" (LC-GD-7-1-2020) finanziert werden.

Einen Link zu dem Paper finden Sie auf dieser Seite

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Daniel Hering
Lehrstuhl für Aquatische Ökologie
Universität Duisburg-Essen. Telefon: ++49 201 1833084, daniel.hering@uni-due.de

Redaktion:
Astrid Bergmeister, Pressesprecherin und Leiterin Ressort Presse,
Tel. 0203/37 9-2430, astrid.bergmeister@uni-due.de